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Brot und Butter

Vom Leben mehr verlangen als ein Butterbrot

Am Anfang meiner kulinarischen Gran Tour ermahnte mich mein Lehrer Wolfram Siebeck: »Wenn Sie nicht bereit sind, 40 Kilometer für ein Brot oder einen Käse zu fahren, wird aus Ihnen nie ein Feinschmecker.« Dieser Satz erinnerte mich an einen Kollegen, der samstags von Mainz nach Straßburg fuhr, um dort Butter und Käse für die Woche einzukaufen – was ich bis zu Siebecks Dictum zumindest merkwürdig fand.
Das sollte sich rasch ändern. Nach einer Phase verschärften Nachdenkens beschloß ich, mehr Zeit und Aufwand den Fächern »Genießen« und »Essen« zu widmen, schließlich wollte ich mich zum Esskünstler verfeinern.
Schnell dämmerte mir, dass meine Bildungsreise mit einem Butterbrot im Gepäck beginnen musste. Als Leser von Döblins »Berlin Alexanderplatz« zählte ich mich zwar zu den Menschen, die vom Leben mehr verlangten »als das Butterbrot«, aber französische Rohmilchbutter auf pain artisanal war ein phantastischer erster kleiner Schritt in die Welt der Kulinarik.
Brot und Butter sind seitdem für mich das Maß der Dinge, wenn es um Genuss geht. Das Butterbrot kann ein eigener Gang sein oder ein Menü begleiten. In einem Restaurant ist das Brot ein Symbol, um am Tisch Platz zu nehmen. Durch das Brechen des Brotes übersäen sofort Krümel die frisch gestärkte Tischdecke und erinnern an den sakralen Charakter des folgenden Mahles, Essen ist eine Messe und manchmal sogar ein Hochamt.
So einfach ein Butterbrot zuzubereiten ist, so schwer ist es, die beiden richtigen Zutaten zu finden. Deutsche Rohmilchbutter kommt nicht in den Handel, weil Rohmilch mit Keimen belastet sein könnte, also lebensgefährlich ist. Deshalb greife ich zur französischen Rohmilchbutter, idealerweise von »Bordier«. Ebenso mühsam ist es, ein handwerklich sauber und sorgfältig hergestelltes Brot zu bekommen. Zum Glück gibt es in Frankfurt inzwischen Bäcker, die Sauerteigbrote (nur drei Zutaten: Mehl, Wasser, Salz) anbieten und mir zumindest hier eine längeren Weg ersparen. Siebeck wäre stolz auf seinen Schüler gewesen oder hätte lächelnd kommentiert: »Ein Lehrer kann sich seinen Schüler leider nicht aussuchen …«

Zum Schluß erinnerte ich mich noch an eine Passage aus den Tagebüchern von Friedrich Hebbel: »Wenn man die Menschen am Abend ihr Butterbrot essen sieht, so kann die Bemühung, das Leben zu erklären, sehr lächerlich erscheinen. Butter u Brot erklären Alles.«

Abbildung: Ferdinand Raab, Werthers Lotte schneidet das Brot für ihre Geschwister (nach einer Illustration von Wilhelm von Kaulbach), um 1865, Öl auf Leinwand. Wetzlar, Städtische Sammlungen

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