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Leute haben keine Menschenrechte

»Die Menschen sind gut, bloß die Leute sind schlecht.«

Das Wort »Leute« ist in Mode. Aber nicht jede Mode hat Stil. »Leute« hat im Gegensatz zu »Mensch« eine negative Konnotation. Es wertet »die anderen« ab. Denn mit »Leute« sind Abhängige oder Dienende, das Gesinde oder Hörige gemeint, was nicht nur der Blick in das Grimmsche Wörterbuch verrät, sondern sich hinter Sprichwörtern verbirgt, wie zum Beispiel »Kleider machen Leute« (im lateinischen Original: »Kleider machen Menschen«), »Land und Leute« (im Gegensatz zu »Stadt und Bürger«) oder »Wieviele Leute, so viele Meinungen« (Terenz).
»Leute« erhalten Befehle und müssen sie befolgen. »Leute« haben keine Menschenrechte. Nur ein »Mensch« kann frei sein und selbst bestimmen. Diese Erkenntnis macht nicht erst die Aufklärung, sie lässt sich bereits in der Bibel finden: Da befiehlt zum Beispiel der Pharao seinen »Leuten« (1 Mos. 12,20). Jesus hingegen wird als »Mensch« bezeichnet, Pontius Pilatus stellte den Gefolterten den »Leuten« als »Mensch« vor mit den Worten: »Ecce homo!« (Joh. 19,5). Luther übersetzte diese Passage mit: »Sehet, welch ein Mensch!«
Menschen handeln, Leute werden behandelt. Vielleicht ist das der Grund, warum vor allem Mediziner neben smarten Fernsehmoderatoren, populären Philosophen und Nachrichtensprecherinnen das Wort »Leute« heute so oft verwenden. Die Wahl der Worte ist immer auch eine Frage des Stils: »Da geht es den Menschen wie den Leut’«.

Zitat von Erich Kästner, aus: Das Erich Kästner Lesebuch, Zürich 1978, S. 122; Foto: Eiserner Steg Frankfurt am Main

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