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Esskunst und Tafelkultur

Der Teller ist eine weiße Scheibe

Wer arbeitet, muß seinen Hunger stillen. Wer sich beschäftigt, kann speisen.

Leute stillen ihren Hunger. Menschen speisen. Bei jenen steht der Stoff an erster Stelle, bei diesen die Form. Zur Würde des Einzelnen gehört, dass er nicht wie seine Ahnen aus einer gemeinsamen Schüssel frisst, sondern dass er von seinem Teller isst. Der Teller ist das der Eigenart des Individuums entsprechende Gebilde. Der Soziologe Georg Simmel schrieb 1910: »Der Teller symbolisiert die Ordnung, die dem Bedürfnis des Einzelnen gibt, was ihm als einem Teile des gegliederten Ganzen zukommt, aber ihn dafür auch nicht über seine Grenzen hinausgreifen läßt.« Was auf dem Teller angerichtet ist, gehört nur der Person, vor dem der Teller steht. Dabei sei es wichtig, so Simmel weiter, dass die Teller auf dem Esstisch nicht nur aus weißem Porzellan seien, sondern auch rund und gleichartig.
Nur so geben die Teller auf dem Tisch der Mahlzeit eine schöne Form und damit einen ästhetischen Wert. Nur so wird aus einer, soziologisch gesprochen, »Bedürfnisbefriedigung« ein stilvolles Zusammensein.

Literaturtipp: Michael Maaser, Studierendenwohl. Geschichte des Studierendenwerks Frankfurt am Main. Frankfurt (Henrich Editionen) 2023. ISBN 978-3-96320-074-8

Abbildung: Schüssel und Teller, Entwürfe von Ferdinand Kramer, ca. 1960

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