Meinen Studentinnen und Studenten gebe ich zehn Schreibregeln mit auf den Weg. Diese Gebote sind für einen schönen Stil notwendig, wenn auch nicht hinreichend. Ich will sie meinen Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten:
- Die Pointe eines deutschen Satzes liegt im Prädikat. Verwenden Sie vor allem starke Verben (Bsp. »sprechen«, »lesen«, »essen«)!
- Prüfen Sie Ihre Hauptwörter und meiden Sie zusammengesetzte Substantive (Bsp. »Ausdruck« statt »Ausdrucksweise«).
- Geizen Sie mit Adjektiven und prüfen Sie jedes Adjektiv kritisch. Ist ein Adjektiv notwendig (Bsp.: »oberste Priorität«) und passt das Adjektiv? Beispiel: Die FAZ berichtete in ihrer Ausgabe vom 24. August 2021: »Igor Vovkovinskiy: Größter Mann in Amerika mit 38 Jahren gestorben.« Vovkovinskiy war sicher nicht der »größte« Mensch in Amerika, das war Cassius Clay, dafür mit 2,35 m vielleicht der »längste« Mensch.
- Meiden Sie Substantivierungen (Bsp. statt »Untersuchung« schreiben Sie »X untersucht y«, das zwingt Sie zu einem präziseren Ausdruck).
- Keine Wörter, die mit »Un«/»un« beginnen verwenden, Beispiel: »Unkosten« gibt es nicht, sondern »Kosten«. Wörter mit »Un«/»un« sind außerdem vorbelastet.
- Bevorzugen Sie Präsens (oder Präteritum), schreiben Sie Ihren Text nie durchgehend im Perfekt.
- Schreiben Sie klare, kurze Sätze, lange Sätze überlassen wir Thomas Mann oder Marcel Proust.
- Schreiben Sie im Aktiv!
- Eignen Sie sich den Konjunktiv an und verwenden Sie ihn richtig, Beispiel: statt »ich würde schreiben« wählen Sie: »ich schriebe«.
- Keine Gedankenstriche in geschriebenen Sachtexten, sondern nur in Reden und Vorträgen. Ersetzen Sie in Ihren geschriebenen Texten deshalb alle Gedankenstriche durch Kommas.
Abbildung: Goethes Geburtseintrag