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Esskunst und Tafelkultur

»A Brasileira do Chiado«

Kaffee trinken mit Fernando Pessoa

Fernando Pessoa sitzt bequem an einem runden Tisch im Außenbereich des Café »A Brasileira« im Stadtteil Chiado. Er trägt einen Anzug mit einer Schleife und wartet auf seine »Bica«. Währenddessen beobachtet er das Gewusel auf der Rua Garrett. Frauen präsentieren sich in bunten Kleidern. Geschäftige Männer laufen mit Krawatte und Hut vorbei, die Hitze ignorierend. Trotz des frühen Morgens sind schon Touristen zur Alfama unterwegs, dem Teil der Altstadt, der 1755 vom großen Erdbeben verschont geblieben ist. »Geheimnisvoll sind die Nationen. Jede ist eine Welt für sich.«

»A Brasileira« ist ein altes Lissaboner Café. Adriano Telles richtete es im Jahr 1905 in einem ehemaligen Hemdengeschäft ein. Telles war mit der Tochter eines brasilianischen Kaffeeproduzenten verheiratet und ein Kaffeemissionar. Er goß in seinem Lokal das heiße Getränk probeweise kostenlos an seine Gäste aus. Die mißtrauischen »Lisboetas«, denen der bittere Geschmack der Brühe zunächst nicht gefiel, rief er entgegen: »Beba isto com açúcar!« – »Trink das mit Zucker!« So entstand aus einem Wortspiel die »Bica«, eine Variante des Espresso. In der portugiesischen Hauptstadt bittet der Eingeweihte nicht um keinen Kaffee, sondern um eine »Bica«.

Pessoa stellt die leere Tasse ab, legt umgerechnet 80 ct auf den Tisch und begibt sich auf den Weg Richtung Unterstadt in sein Handelskontor. »Die Pflicht erschuf mich so wie Gott die Welt.« Heute Mittag wird er in seinem Lieblingsrestaurant »Martinho da Arcada« essen. Und noch mehrmals am Tag eine »Bica« trinken. Nachts schreibt er dann »eines seiner Freundeslieder«: »Gott will, der Mensch träumt und das Werk entsteht.«

Fernando Pessoa (1888–1935) ist der bekannteste portugiesische Dichter des 20. Jahrhunderts. Er veröffentlichte zu Lebzeiten nur ein Buch, »Mensagem« (1934, dt. »Botschaft«). Diesem Lyrikband sind die oben zitierten Verse entnommen. Pessoas andere Werke erschienen in Zeitungen und Zeitschriften, die meisten von ihnen unter einem Pseudonym. Lagoa Henriques schuf 1980 ein Bronzedenkmal des Stammgastes von »A Brasileira«. Das Kunstwerk steht vor dem Café. Innen ist das Café im Pariser Stil designt und mit zahlreichen Erinnerungen an seine prominenten Gäste bestückt.

Adressen:
Café A Brasileira, R. Garrett 122, 1200-205 Lisboa
Martinho da Arcada, Praça do Comércio 37, 1100-148 Lisboa, Portugal

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