Fakten sind keine Tatsachen, Fakten sind gemacht. Das Wort leitet sich ab vom lateinischen »factum«, d.h. »Gemachtes« und wird ausschließlich im Plural verwendet – was schon stutzig machen sollte. Eine »Tatsache« hingegen ist etwas wirklich Vorhandenes, einmalig, in Latein gebraucht im Sinne von »certus« (»gewiß») und »verus» (»wahr«, »wirklich«). Die »Tatsache« als solche ist nicht wie »Fakten« einfach »gegeben«, sondern wird erst auf Grund von Erfahrung konstatiert. Die Tatsache ist eine wirklich geschehene Sache, etwas Feststehendes, das nicht bezweifelt werden kann.
Das Wort »Tatsache« findet sich zuerst in Texten Mitte des 18. Jahrhunderts. Goethe gebraucht es und Gotthold Ephraim Lessing widmet 1778 dem »Wörtlein Tatsache« eine Liebeserklärung. Immanuel Kant definierte »Tatsachen« mit »Gegenstände für Begriffe, deren objective Realität (es sei durch reine Vernunft, oder durch Erfahrung und im ersteren Falle aus theoretischen oder praktischen Datis derselben, in allen Fällen aber vermittelst einer ihnen correspondirenden Anschauung) bewiesen werden kann« (Kant, »Kritik der Urteilskraft«, AA Bd. V, S. 468).
Ein weiterer Beleg des Unterschieds zwischen »Fakten« und »Tatsache« ist der »Faktencheck«. Einer solchen Überprüfung bedarf die »Tatsache« nicht. Die »Tagesschau« betreibt auf ihrer Webseite sogar ein eigenes Ressort unter dem Titel »ARD-Faktenfinder«. Das »Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung« unterzieht Themen ebenfalls einem »Faktencheck«. Kurzum, überall lassen sich Fakten »checken«. Trotzdem weiß niemand, ob sie »wahr« oder »erfunden« sind. »Tatsachen« hingegen sind keine Interpretation, sie »sprechen durch sich selbst, ermahnen, lehren, trösten« (Johann Gottfried Herder, »Briefe zur Beförderung der Humanität«, Erste Sammlung, 1793).
Abbildung (und Zitat im Titel): Goethe, Dritte Wallfahrt nach Erwins Grabe, WA I, Bd. 37, S. 324 und 325.